Bottom-Up und Community-Based Adaptation

Agricultural plots in Kindia (Guinea) from above (photograph taken by Tim Öun @timoun, downloaded from unsplash.com)
Agricultural plots in Kindia (Guinea) from above (photograph taken by Tim Öun @timoun, downloaded from unsplash.com)

Community-Based Adaptation (CBA) zeichnet sich dadurch aus, dass die Gemeinden auf lokaler Ebene Adaptions- und „Entwicklungsmaßnahmen“ implementieren. So wird die lokale Bevölkerung gestärkt und erhält die Möglichkeit, sich an ein Leben in riskanterem und weniger vorhersehbarem Klima anzupassen. Durch den Zusammenschluss aus modernen Wissenschaften und traditionellem Wissen können wirksame Projekte entwickelt werden. Die Partizipation wird hierbei gestärkt, die Betroffenen sind in die Planungsprozesse eingebunden und die Projekte sind im soziokulturellen Kontext eingebettet. Dabei werden die Communities durch externe Gruppen, staatliche und nichtstaatliche Organisationen unterstützt. Das führte uns direkt weiter zu den Kritikpunkten von CBA und der These, dass „Klimawandel-Anpassungsmaßnahmen im Globalen Süden, die im Norden im Namen der „Entwicklung“ initiiert werden, die post- bzw. neokolonialen Verhältnisse widerspiegeln“. Der Diskurs über „Entwicklung“ und Adaptionsstrategien bleibt ein westlicher Diskurs und aufgrund der Einwirkung von Außen durch andere Gruppen wird häufig eine Interdependenz anstelle einer Unabhängigkeit geschaffen, die Autonomie der Communities untergeordnet und damit ihre Integrität verletzt. Die Hauptverursacher der Klimakatastrophe sind die Industriestaaten aus dem Globalen Norden, was die Frage aufwirft, weshalb sich Länder des Globalen Südens aufgrund Fehler Anderer anpassen sollten und wohin die „Entwicklung“ gehen soll. Als Beispiel wurden Bio- und Fair Trade-Siegel genannt, denen in unserer Gesellschaft eine immer größere Bedeutung zugesprochen werden. Diese Siegel werden international organisiert und geprüft und gelten als „Entwicklungsstrategie“ in der Landwirtschaft. Im Gegensatz dazu steht beispielsweise die ökologische Landwirtschaft der Indigenen Kolumbiens. Ihre Methoden der Landwirtschaft spiegeln sich oft in den Anforderungen internationaler Siegel wider, ihre Implementierung ist jedoch oft zu aufwendig/teuer etc. Dies wirft die Frage auf, für welche Zielgruppe solche „Entwicklungsvorschläge“ geplant werden und für wen die Konzepte funktionieren. 

Als eine alternative Strategie zum CBA wurde danach das Bottom-Up Konzept der Anpassung erklärt. Es zeichnet sich dadurch aus, dass die Strategien aus einer Graswurzelbewegung entstammen. Also einer Gruppe aus Individuen, die selbstorganisiert, autonom und durch eigene Ressourcen ohne Einwirkung von Außen agieren. Das Ziel ist hierbei immer, eine gesellschaftliche Veränderung herbeizuführen, sodass sie nicht innerhalb der gängigen politischen Institutionen handeln. Um im süd- und mittelamerikanischen Kontext zu bleiben, wurde die Zapatisten Bewegung genannt, die gegen die Umweltzerstörung und einen Gesellschaftswandel in Mexiko kämpft. Hier kann auch eine Verbindung zwischen Buen Vivir, Klimawandelanpassungsstrategien bzw. -mitigation und Bottom-Up Strategien gezogen werden. Ziel ist es, politische Institutionen zu verändern, sodass Bevölkerungsgruppen und indigene Communities friedlich koexistieren können, ohne ihre Autonomie aufzugeben. Gleichzeitig sollen die Ressourcen der Natur nachhaltig genutzt werden - das Leben im Einklang mit der Umwelt soll die Resilienz einer Gesellschaft erhöhen.

Das Konzept von „Buen Vivir“ wollten Ecuadors Präsident Correa und Energieminister Acosta durch die „Keep the oil in the ground“-Initiative im Yasuní Nationalpark unterstützen. Geplant war es, die reichen Ölvorkommen des Landes im Boden zu lassen, was zum Einen eine wirksame Kilmaschutzmaßnahme gewesen wäre und zum Anderen die indigenen Communities geschützt hätte. Als Gegenleistung erwartete Ecuador von der internationalen Gemeinschaft Kompensationszahlungen in Höhe der Hälfte der Einnahmen, die durch die Förderung des Erdöls generiert werden würden. Das Konzept scheiterte an der Finanzierung und heute finden Erdölbohrungen in den Schutzzonen des Nationalparks statt.

 Die abschließende Diskussion wurde mit der Frage „Wie unterscheidet sich das „westliche“ gute Leben von „Buen Vivir“?“ eingeleitet. 

 

 

Dabei wurde von der Gruppe vor allem auf das westliche bzw. deutsche gesellschaftliche Idealbild und System eingegangen – Arbeit, Haus, Familie – in dem andere Lebensstile und Konzepte schwer akzeptiert werden. 

Damit kam direkt die nächste Frage auf, ob das Konzept von „Buen Vivir“ hier in Deutschland bzw. weltweit implementiert werden könnte. Dazu gab es diverse Meinungen im Kurs. Im Konsens wurde sich darauf geeinigt, dass das grundlegende Problem im kapitalistischen System begründet liegt, das auf Ressourcenverbrauch und Wachstum ausgelegt ist und sich nur durch Externalisierung negativer Effekte am Leben halten kann. Das Idealbild eines kommunistischen Lebens wurde jedoch ebenfalls von vielen Seminarteilnehmer*innen angezweifelt. Immer wieder kam die Frage auf, ob jemals alle Menschen dieses Planeten freiwillig ihr Geld, Besitz und Macht aufgeben würden, um der Gesellschaft zu dienen – sehr unwahrscheinlich. Dennoch steht „Buen Vivir" nicht im Konflikt dazu. Das Modell sieht einen hierarchiefreien Dialog vor und ist möglichst demokratisch, ohne kommunistischen Diktator o.ä. aufgebaut. Das Konzept sieht ein Recht auf Eigentum vor und lehnt einen Markt nicht ab. Dennoch blieb bei Vielen der Zweifel, dass ein grundlegender Systemwandel am Egoismus scheitern würde. Noch hält sich der Kapitalismus vor allem in Deutschland und anderen Industriestaaten gut am Leben und eine breite Mittelschicht wie auch die Oberschicht profitieren davon. Wie schon das Beispiel in Ecuador aufzeigt ist klar, dass aufgrund der Angst vor Kapital- oder Machtverlust kein Staat anfangen will, den ersten Schritt in Richtung ernsthaftem Klimaschutzes zu machen. In den momentanen Macht- und Systemstrukturen scheitert das Konzept von „Buen Vivir“ an der globalen Marktwirtschaft. Der technologisierte Alltag vor allem in den Ländern des Globalen Nordens benötigt die Rohstoffe aus den Ländern des Globalen Südens, wodurch es zu einer dauerhaften Ausbeutung dieser Staaten und Gesellschaften kommt. Eins zu eins ist „Buen Vivir“ vielleicht nicht auslebbar, jedoch kamen auch Visionen im Kurs auf, dass einzelne Aspekte auf einer kleineren Maßstabsebene möglich wären. Der Natur ihren intrinsischen Wert zuzuschreiben wäre ein erster Anfang. 

 

Doch kann „Buen Vivir“ auch zu einer KWA führen ohne neokoloniale Strukturen zu reproduzieren?

 

Auch in dieser zweiten Diskussionsfrage gab es unterschiedlichste Beiträge aus dem Kurs. Positiv dafür wurde sich ausgesprochen, dass das Ablösen vom globalen Markt hin zu einem lokalen Markt ein emanzipatorischer Prozess ist, der die alten Strukturen aufbrechen könnte. Im Gegensatz dazu kam die Idee auf, dass ein Top-Down Konzept möglicherweise doch ein größeres Erfolgspotential aufweisen könnte. Das Konzept einer „Weltregierung“ – eine internationale Institution, die als regelführende Macht allen Staaten verbindliche Regeln und KW-Anpassungs- und -Mitigationsstragien auferlegt – könnte wirkungsmächtiger sein und vor allem zeitlich schneller agieren. Ähnlich wie das Pariser Klimaabkommen, nur verbindlich und ähnlich wie die UN, insgesamt jedoch demokratischer, gerechter und ohne post- und neokoloniale Strukturen. Wobei natürlich nicht von der Hand zu weisen ist, dass auch dieses Konzept durch den Gedanken einer Utopie getragen wird. Von da aus weitergehend wurde diskutiert, ob das Konzept der Klimagerechtigkeit nicht ebenfalls neokoloniale Strukturen aufweist und durch unterschiedliche Behandlungen verschiedener Gesellschaften und Länder ein Gegenübertreten auf Augenhöhe unmöglich macht. Dagegen kam die Kritik auf, dass ein klarer Schnitt und Neuanfang zwischen Ländern des Globalen Nordens und Südens keine konfliktfreie und gerechte Lösung sei. Anstelle dessen wäre es wohl sinnvoller, Geld und Macht voneinander zu entkoppelt. Als Beispiel fiel das Konzept eines Klimatopfs, in den alle Staaten einzahlen, wobei Industriestaaten einen höheren Anteil daran leisten. Das würde im folgenden Schritt allerdings nicht zu mehr Macht und Mitspracherecht führen, sondern allen Staaten ein gleichberechtigtes Stimmrecht gewähren.

 

Tabea Schubert

 

Fortführende Literatur: 

Acosta, A., Schilling-Vacaflor, A. (2009). "Buen Vivir". Die Schaffung einer Utopie. Juridikum, S. 219-223.

Adger, W. Neil (2003). Social Capital, Collective Action and Climate Change Adaptation. Economic Geography, October 2003, 79(4), S. 387-404.

Ayers, J., Forsyth, T. (2009). Community-Based Adaptation to Climate Change: Strengthening Resilience Through Development. Environment 51, 2009, S. 22-31.

Franke, F. (2019). Nie im Leben. In Ecuador und Bolivien steht Nachhaltigkeit seit Jahren in der Verfassung. Aber was wird aus der radikalen Idee des „Buen Vivir“, wenn sie auf konkrete Politik trifft? Fluter, 17.08.2019 (abrufbar unter https://www.fluter.de/buen-vivir-konzept-recht-auf-nachhaltigkeit, Stand 19.11.2019).

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