In der Präsentation wurde zunächst der Begriff der Entwicklungszusammenarbeit (EZ) definiert. Entwicklungszusammenarbeit basiert auf dem Grundkonzept, dass einige Staaten in ihrer "Entwicklung" zurückliegen und dementsprechend durch eine nicht profitorientierte Kooperation gefördert werden sollen. Die Hauptinstrumente dieser Kooperation sind der Transfer von Technik, Wissen und Kapital. Je nachdem, wie viele Akteure beteiligt sind, wird in bi- und multilaterale EZ unterschieden. In dem Vortrag wurde sich auf die staatliche Entwicklungszusammenarbeit beschränkt, da die zusätzliche Betrachtung der nichtstaatlichen EZ den zeitlichen Rahmen gesprängt hätte.
In Deutschland wird aus dem Bundeshaushalt finanziert und basiert die staatliche EZ auf Verträgen, die mit den Regierungen der Partnerländer vereinbart wurden. Zuständig für die Kooperation ist das Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, kurz BMZ. Dieses wiederum beauftragt Durchführungsorganisationen - federführend die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) für den Wissens- und Techniktransfer und die KfW Entwicklungsbank für die finanzielle Unterstützung. Im Haushaltsjahr 2019 standen dem BMZ 10.2 Mrd. Euro zur Verfügung, Deutschland ist im internationalen Vergleich damit die zweitgrößte Gebernation nach den Vereinigten Staaten.
Nach der generellen Einführung wurde die Frage beleuchtet, welche Rolle Klimawandelanpassung in der EZ spielt und wie sich der Klimadiskurs innerhalb der Kooperation legitimiert. Klar ist: häufig sind die Bevölkerungsgruppen vom Klimawandel besonders stark getroffen, die zum einen eine niedrige Anpassungskapazität haben und zum anderen einen sehr geringen Beitrag im Sinne der Treibhausgasemissionen leisten. Gemäß des Verursacherprinzips sind deshalb die Industrienationen in der Verantwortung, die Staaten des Globalen Südens in ihrer Anpassung zu unterstützen. Innerhalb der Entwicklungsgemeinschaft entwickelte sich auf dieser Grundlage der Diskurs, Klimawandelanpassung direkt in die Arbeit der EZ zu integrieren - man spricht vom sogenannten "Mainstreaming". Es wird argumentiert, dass Entwicklungsförderung gleichzeitig die Anpassungsfähigkeit der betroffenen Staaten und Menschengruppen erhöhe, Entwicklung und KWA also Hand in Hand gehen. Ein weiteres Argument für das Mainstreaming ist die Komplexität der Herausforderungen, insbesondere vor dem Hintergrund des knappen Zeitfensters. Durch die Integration von KWA Maßnahmen in bereits bestehende Infrastrukturen der EZ soll so eine ganzheitliche und effiziente Lösung der Herausforderungen erreicht werden.
Der erste Schritt hin zu dieser Integration wurde 2001 im Rahmen der UNFCCC Marrakesh Accords gemacht: Vorher war nur Mitigation auf der Agenda der internationalen Staatengemeinschaft. In Marrokko wurden dann drei wichtige Klimafonds beschlossen.
1. Least Developed Countries Fund (LDCF, soll die am wenigsten "entwickelten" Nationen in der Erarbeitung und Umsetzung Nationaler Adaptionspläne unterstützen)
2. Special Climate Change Fund (SCCF, zugänglich für alle sog. "Entwicklungsländer"; sowohl LDCF als auch SCCF werden durch freiwillige Kontributionen der Industriestaaten getragen)
3. Adaptation Fund (AF, unterliegt dem Kyoto-Protokoll und arbeitet nach dem Prinzip des Clean Development Mechanism CDM).
Gemeinsam mit dem Trust Fund der GEF (Global Environmental Facility) und dem 2015 in Kraft getretenen Green Climate Fond bilden sie den Grundstein der multilateralen Adaptionsfinanzierung.
Laut Oxfam und Weltbank werden ab 2020 jährlich rund 100 Milliarden USD benötigt, um effektive KWA in den Ländern des Globalen Südens umzusetzen. Hier ergibt sich jedoch eine große Finanzierungslücke: Obwohl die Staaten des Globalen Nordens 2015 in Paris erneut bekräftigten, jährlich die geforderten 100 Mrd. USD bereitstellen zu wollen, fließen bislang jährlich nur rund 15 Mrd. USD in die Klimawandeladaption.
Um die Arbeitsweise der deutschen EZ zu erklären, stellte die Referentin einige Fallbeispiele vor, welche die Erfolge, aber auch die Problematik von KWA in der Entwicklungszusammenarbeit sehr gut verdeutlicht haben.Das erste Fallbeispiel widmete sich der Region Trifinio im Dreiländereck Guatemala, Honduras und El Salvador. Dieses Gebiet ist ein wichtiges hydrologisches Einzugsgebiet für die Wasserversorgung der angrenzenden Länder und besonders stark von der Niederschlagsvariabilität im Zuge des menschgemachten Klimawandels betroffen. In einem deutschen EZ Projekt wurde aktiv die Wiederaufforstung der Region gefördert, Wasserschutzzonen eingerichtet und lokale Bevölkerung bezöglich auf nachhaltiges Ressourcenmanagement geschult. Als Resultat stieg die Infiltrationskapazität des Bodens, es kam zu einer Erosionsminderung, einen Zuwachs an endemischen Baumarten, sowie eine Ertragssteigerung der lokalen Landwirtschaft. Das Projekt kann also als erfolgreich bewertet werden.
Im zweiten Beispiel ging es um das Thema Maladaption, sprich eine negative Veränderung. Dafür stellte die Referentin das ein 160 Millionen USD Projekt in Bangladesch vor, welches in den letzten Jahren unter maßgeblicher Beteiligung der KfW Entwicklungsbank sowie der Asian Development Bank umgesetzt wurde. Bangladesch ist wegen seine Lage am Meer, seiner ausgedehnten Sumpfgebiete und dem überwiegend flachen Tiefland aufgrund des global ansteigenden Meeresspiegels häufig von Hochwasser und Überflutungen gefährdet. Im Zuge des Projektes wurden über 500 km Straßen und Brücken im Süden des Landes flutsicher ausgebaut. Kurzfristig gesehen ergaben sich deutliche Vorteile für das Land: Es wurden beispielsweise Arbeitsplätze geschaffen, woraufhin ein Zuzug von Menschen in diese Regionen stattfand und ein Wirtschaftswachstum erreicht werden konnte. Außerdem wurde die Sicherheit der Bürger gewährleistet. Laut aktueller Prognosen wird der Meeresspiegel bis 2050 jedoch so weit ansteigen, dass die angelegten Schutzwälle nicht ausreichen und die Gebiete nicht mehr bewohnbar sein werden. Zwar brachte das Projekt kurzfristig Nutzen, langfristig müssen wegen des Zuzugs nun jedoch weitaus mehr Menschen umgesiedelt werden.
Daraus abgeleitet wurden kritische Aspekte der Entwicklungszusammenarbeit beleuchtet. Das Konzept der EZ erntet häufig viel Kritik - vor allem Aspekte wie die Fortführung (neo)olonialer Abhängigkeitsstrukturen, Hemmung der Eigeninitiative, Unwirksamkeit der Maßnahmen, Untransparenz der Arbeitsprozesse oder auch inkohärente Geberpolitik sind nur einige Schlagworte in diesem Zusammenhang.
Bezogen auf KWA in der EZ finden sich ebenfalls einige kritische Aspekte: Durch den Mainstreaming-Diskurs ist nicht immer nachvollziehbar, wie viel Geld letztlich tatsächlich in Anpassungsprojekte fließt und wie viel die business-as-usual EZ davon profitiert. Zudem gibt es ein Spannungsfeld zwischen Anpassung und Entwicklung, da Entwicklung häufig gegenläufig ist mit Zielen des Klimaschutzes. Die bereits angesprochene Finanzierungslücke führt außerdem dazu, dass aktuell bei Weitem nicht genug in die Länder des Globalen Südens investiert wird. Es ist wichtig, anzumerken, dass Klimafinanzierung den betroffenen Staaten nicht als "Hilfe" zur Verfügung gestellt werden sollte, sondern eher als Kompensation des Globalen Nordens für dessen (historisch) unnachhaltiges Wachstum gesehen werden muss.
Zuletzt gab die Referentin uns noch einen kurzen Ausblick, in dem vor allem der Begriff der Good bzw. Bad Governance kritisch angesprochen wurde, ebenso wie der Diskurs zum Post-Development (vgl. Ireland 2012). Eine schwierige Entwicklung sei auch die Tendenz hin zu Projektfinanzierungen aus dem privaten Sektor, da die Intensionen dort oft profitorientierter seien als im staatlichen Sektor.
Die anschließende Diskussion zu diesem Thema fand auf der Basis des Artikels von Lisa Schipper (2007) statt. Diskutiert wurde, ob es sinnvoll sei, den Fokus des Anpassungsdiskurses auf die Antwort auf Klimawandelherausforderung zu setzten (Adaptation Approach), oder auf die nachhaltige Bekämpfung der Ursachen für Vulnerabilität (Vulnerability Reduction Approach). Im Anschluss daran wurde gemeinsam im Seminar nach Alternativen für Anpassungs- und Entwicklungsarbeit gesucht.
Eine Kursteilnehmerin sprach an, dass der sog. Vulnerability Reduction Approach in dem vorliegenden Text zwar Sinn ergäbe, so praktisch jedoch vielleicht nicht anwendbar sei. Sie fand, dass in dem Text wenig Beispiele gegeben wurden, die den Erfolg des VRA verdeutlichen könnten.
Ein anderer Teilnehmer meinte, dass die Ursache des Klimawandels zum größten Teil im Globalen Norden liege und sich dort somit auch darum gekümmert werden sollte und damit entkoppelt von der EZ stattfinden muss, während sich diese mehr auf die vom Klimawandel betroffenen Länder fokussieren soll, denn hier wäre es aktuell enorm wichtig sich den neuen klimatischen Gegebenheiten anzupassen. Ergänzend dazu stellten wir fest, dass dadurch die Augenhöhe zwischen den helfenden und den Ländern des Globalen Südens genommen würde. Denn die aktuelle Entwicklungsarbeit ist meist einseitig und die „entwickelten“ Länder übernehmen lediglich die „Helferrolle“ und nicht die Verantwortung für ihre Schuld am Klimawandel.
Da der Erfolg von Projekten in Bezug auf die Klimawandelanpassung oft noch nicht abzusehen ist, steigt auch die Angst vor Maladaption bei der Bevölkerung der Länder des Globalen Südens. Langfristige Auswirkungen sind häufig schwer abzusehen und so kann bei vorschnellem Handeln die Gesamtsituation verschlimmert werden. In diesen Fällen ist es besonders wichtig, dass die Akteure (des Globalen Nordens) die Verantwortung für ihr Handeln tragen. Auch hier fehle die gleiche Augenhöhe zwischen den beteiligten Parteien was dazu führt, dass EZ in Verbindung mit Klimawandelanpassungsstrategien oft kritisch betrachtet wird.
Als positives Beispiel wurde hier von der Referentin der Green Climate Fund genannt, der mit einem Rückkopplungseffekt arbeitet der für Entschädigung sorgt, sollte ein Projekt nicht erfolgreich sein.
Zuletzt einigten sich einige Seminarteilnehmer*innen darauf, dass der sog. Adaptation Approach wesentlich konkreter sei als der VRA. Mittlerweile ist die Zeit zu knapp, um darauf zu warten, dass die Vulnerabilität der Betroffenen sich derart mindert, dass sie von innen heraus ihre Adaptionskapazität erhöhen können. Andererseits wurde auch klar, dass es aktuell auch beim AA kein zufriedenstellendes Ergebnis gibt und die EZ eher wie ein Endlosprojekt wirkt, dass nur minimale Erfolge erzielt. Entwicklungszusammenarbeit versucht mit aller Kraft, Auswirkungen zu bekämpfen und entfernt sich dabei zunehmend von den wahren Ursachen der Probleme.
Auf der Suche nach möglichen Alternativen in der Klimawandelanpassung bildeten sich zwei verschiedene Meinungen recht klar heraus: Zum einen sei keine Zeit mehr,
nach der besten Lösung zu suchen, sondern es müsse die realistischste umgesetzt werden.
Eine andere Position war, dass es nicht reiche, bei dem zu bleiben, was man schon kennt. Es sollten neue Systeme geschaffen werden und „das Rad müsse neu erfunden werden“, um wirklich eine grundlegende Veränderung herbeizuführen. Konsens herrschte darüber, dass Freihandelsabkommen, wie zum Beispiel in Südamerika, abgeschafft werden sollten und man weiter weg von einer rein fremdbestimmten Entwicklung kommen muss.
Charlotte von Möllendorff
Literatur:
Schipper, E. L. F. (2007). Climate change adaptation and development: Exploring the linkages. Tyndall Centre for Climate Change Research Working Paper, 107, 13.
Ireland, P. (2012). Climate Change Adaptation – Business-as-usual aid and development or an emerging discourse for change? Overseas Development Institute, International Journal of Development Issues, 11(2), 92-110.
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