Umgang mit Hitzewellen in Indien

Klima in Indien und Veränderungen durch den Klimawandel

 

Indien reicht über mehrere Klimazonen: vom tropischen Süden über subtropische und gemäßigte Regionen hinweg bis hin zum alpinen Klima in den Gebirgsregionen im Norden des Landes. Der Monsunzyklus, der vor allem das ländliche bzw. landwirtschaftliche Leben prägt, verändert sich durch den Klimawandel stark. Außerdem stellen Projektionen einen Temperaturanstieg um bis zu 4 °C sowie steigende Abundanz von Extremwetterereignissen in Aussicht. Dazu gehören beispielsweise Dürren durch Hitzewellen oder durch Starkregen verursachte Überschwemmungen.

 

So treibt der menschgemachte Klimawandel die Landbevölkerung in Städte, um der Exposition zu entkommen. Aufgrund der ungleichen sozioökonomischen Verhältnisse in Indien sind jedoch viele Menschen gezwungen, sich in Slums anzusiedeln. In den Städten verstärken sich somit Probleme wie zu hohe Siedlungsdichte und schlechte bzw. nicht vorhandene Müll- und Abwasserentsorgungssysteme. Auch die Wasserversorgung ist häufig mangelhaft, was vor allem bei Hitzewellen ein enormes Problem darstellt.

 

Hitzewellen gehören in Indien zwischen Mai und Juli zum erwartbaren Klima. Allerdings wirkt der Klimawandel verstärkend auf die Hitzeperioden, wie die untenstehende Grafik eingänglich demonstriert. Je nach Projektionsszenario verändern sich sowohl die Frequenz, Intensität als auch die Dauer von Hitzewellen.

 

Eine Hitzewelle definiert sich darüber, dass es sich um ein über mehrere Tage andauerndes Hitzeereignis mit enormen Auswirkungen für Mensch und Umwelt handelt. Die Abweichung von der Normaltemperatur variiert je nach Definition zwischen 6 °C und 7 °C.

 

Die Auswirkungen können ökonomischer Schaden, aber auch Krankheiten und sogar Todesopfer sein. Vom Hitzetod sind besonders vulnerable Bevölkerungsgruppen bedroht, beispielsweise alte, arme und kranke Menschen. Die Gründe dafür sind vielfältig: Manche können es sich nicht leisten, bei Hitze nicht zu arbeiten, geschweige denn eine Klimaanlage anzuschaffen. Anderen fehlt schlichtweg das Bewusstsein für den Umgang mit solch extremen Temperaturen, wie genug Flüssigkeit o.ä.. Die gesundheitlichen Folgen reichen von Dehydration über Hitzekrämpfe bis zu Herzkreislauferkrankungen, Atemwegserkrankungen und Hitzeschlägen. Landwirtschaftliche Ernteeinbußen führen zu Nahrungsengpässen, die wiederum Hungersnöte auslösen können.

Der Ahmedabad Heat Action Plan

 

Ahmedabad liegt im nordwestlichen Bundesstaat Gujarat und ist eine der heißesten Städe Indiens. In der Vormonsun-Zeit von März bis Mai liegen die Durchschnittstemperaturen schon bei über 40 °C. In der Stadt leben über 7 Millionen Menschen und durch die Landflucht wächst Ahmedabad schnell – häufig wohnen ehemalige Landbewohner*innen übergangsmäßig oder langfristig in Slums. Sie sind aufgrund mangelhaften Wasserversorgung und fehlender Klimatisierung besonders vulnerabel gegenüber Hitzeereignissen. Negativ verstärkend wirkt der insgesamt geringe  Einkommens- & Bildungsschnitt.

 

Nach einer besonders starken Hitzewelle im Jahr 2010, die viele Tausend Menschenleben forderte, beschloss die Ahmedabad Municipial Corporation (AMC) die Entwicklung eines Heat Action Plans. Dabei wurden in Ahmedabad epidemiologische Analysen mit Vulnerabilitätsuntersuchungen gekoppelt, um im Anschluss spezifische Behandlungstrainings für medizinische Angestellte zu entwickeln. Parallel dazu wurde ein Warnssystem designed, das auf  globalen Hitzemanagementplänen und Beispielen von Best Practices basiert.

 

Bei dem Heat Action Plan lag der Fokus auf drei konkreten Strategien:

- Erstens der Schaffung öffentlicher Aufmerksamkeit

- Zweitens ein Hitzewarnsystem

- Drittens die Trainingsprogramme für medizinische Angestellte (aber auch Schulkinder, Arbeitgeber und Arbeitnehmer im besonders hitzeempfindlichen Baugewerbe)

Darüber hinaus wurde die Bevölkerung auf Flyern, LED Bildschirmen in der Stadt sowie per SMS und Social Media über Hitzewellen und Vorsichtsmaßnahmen frühzeitig informiert.

 

Da Krankenhäuser bei Hitzewellen häufig überlastet waren, wurde mehr Personal angestellt und in Anschaffung von Kühlakkus investiert, um Stromausfällen vorzubeugen. Eine weitere wichtige Maßnahme war die Installation von Cooling Centers z.B. in Tempeln, Einkaufszentren oder öffentlichen Einrichtungen, um Hitzerefugien zu schaffen. So konnte die Zahl der Todesopfer seit 2010 drastisch reduziert werden.

Diskussion

 

Die abschließende Diskussion des Heat Action Plans fiel ambivalent aus: Auf der einen Seite wurde die Effizienz gelobt, mit vergleichsweise wenig Aufwand und Ressourcen (Flyern, Sms, TV etc.) die Bevölkerung vor der Hitze zu warnen und sie darauf aufmerksam zu machen, genug zu trinken. Ausreichend Personal sowie einen Notfallplan für die Krankenhäuser sind natürlich immer sinnvoll, genau wie die Trainingsprogramme für medizinische Angestellte.

 

Kritisch diskutiert wurden jedoch der Top-Town Charakter des Ahmedabad Heat Action Plans, der ohne Beteiligung der Bevölkerung, dafür aber unter anderem von einem US-Ministerium entwickelt wurde. Außerdem wurden die Ursachen für die Vulnerabilität dabei außer Acht gelassen, die in den Slums von Ahmedabad wohl vor allem in der Armut und der mangelhaften Wasserversorgung besteht. So bleibt der Heat Action Plan wohl eher ein Tropfen auf den heißen Stein und bekämpft Symptome anstelle von Ursachen.